Liebe LeserInnen,

in diesem Archiv werden, angefangen im Mai 2024, Texte von Simeon Pressel veröffentlicht, die bisher unbekannt oder schwer zugänglich waren, die wir aber der Allgemeinheit zur Verfügung stellen wollen. Das Archiv wird allmählich angefüllt, mit Aufsätzen, Buchbesprechungen, Briefauszügen und dergleichen.

 

 

BUCHBESPRECHUNG: Mit großer Zukunft — hinter sich

Guido Fisch: A k u p u n k t u r .

Chinesische Heilkunde als Medizin der Zukunft. Stuttgart 1973.

Deutsche Verlags-Anstalt. 144 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. Paperback. 16,80 DM.

 

Die uralten Weistümer der Atlantis glimmen noch nach im alten China. So kann man dort auch auf dem Gebiete der Heilkunde Reste geistvoller Zusammenschau erwarten. Der Schweizer Arzt G. Fisch, der seit zehn Jahren mit diesen Überlieferungen arbeitet, legt in 112 Seiten, reich bebildert, einen anschaulichen Abriß dieses Wissens vor. Immer wieder klagt er, daß die bei uns gängigen Fragmente davon nicht den großen Horizont aufleuchten lassen und dadurch zu formalistischen Patentrezepten reduziert sind - ein Prozeß, den wir ja auch von eigenen Traditionen im Stadium des Erlöschens so gut kennen, und der auch schon im alten China nicht unbekannt war.

Die alt-chinesische Heilkunde geht von großen Zusammenhängen aus, die Makro- und Mikrokosmos, Natur und Mensch in gleicher Weise um fassen. Da ist einmal die große Polarität von »Yin und Yang«, die nur von fern mit weiblich männlich angedeutet werden kann. Der ganze Organismus wird danach eingeteilt, aber eben nicht statisch fixiert, sondern immer relativ zum Vergleichspunkt. So ist das Körperinnere immer Inn (oder Yin, wie es in anderen Darstellungen meist lautet) im Gegensatz zur Oberfläche, aber alle Hohlorgane (z. B. Magen, Darm) sind wieder Yang . . . Ähnlich übergreifend ist die Einteilung aller Erscheinungen nach den »Fünf Elementen« benannt, »Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser«. Je nach der Anordnung wirken sie aufbauend oder zerstörend zusammen oder aufeinander. Nicht nur Körperschichten und Organe, sondern auch Jahreszeiten, Farben, seelische Gefühle, alles entspricht diesen fünf Elementen! Für das Geschehen zwischen Gesundheit und Krankheit ist das Gleichgewicht der verschiedenen Energien (4-5) und ihr Verhältnis zur Außenwelt, z. B. der gefährlichen Wind-Energie bedeutsam. Erst vor diesem gewaltigen Hintergrund baut sich das höchst komplizierte System der Meridiane und Punkte auf, in denen sich jene Energien strömend fortbewegen. Stocken diese Ströme, dann hilft die Akupunkturnadel, den Ausgleich wieder herzustellen.

Dies theoretisch wie praktisch gleich imposante Gebäude kann dem Interessierten viele Anregung geben! Kann es für uns die »Heilkunde der Zukunft« werden? Etwa so, wie manche Ähnliches vom indischen Yoga erwarten? Hier kann der Kenner der anthroposophischen Heilkunde nur mit Nein antworten! Als der römische Götterhimmel verblaßte, holte man fremde Kulte aus aller Welt in dies Vakuum herein; so zieht die entgeistigte Denkprimitivität unserer offiziellen Medizin Heilverfahren ferner Zeiten und Länder herein, ohne Rücksicht, ob sie auch jetzt und hier fruchtbar sind. Bei aller Hochachtung vor der gedanklichen Größe Alt-Chinas, vor den verblüffenden Leistungen der Jahrtausende alten Akupunktur bei Krankheiten, neuerdings (seit 1958) als Narkose-Ersatz, kann nur eine klare Gegenüberstellung mit der aus den tiefsten Kräften Mitteleuropas gewachsenen Heilkunde zeigen, wo wirklich die Zukunft liegt. Ein jedem modernen Denkbedürfnis genügendes einheitliches Weltbild, das Natur und Mensch, Gesundheit und Krankheit, Leib, Seele und Geist gleicherweise durchdringt, das in Evolution und Pädagogik die frühesten Anfänge prophylaktisch erfaßt, eröffnet in der Therapie Möglichkeiten, die denen des Ostens nicht nachstehen. Gerade diese, die anthroposophische Medizin (und Pädagogik) macht aber den Blick frei für die wahren Werte der chinesischen Ûberlieferung. So muß man wünschen, daß viele sich durch die Größe der Vergangenheit anregen lassen, die noch weit größeren Horizonte der Gegenwart und Zukunft zu erobern.

Simeon Pressel

 

BUCHBESPRECHUNG: Heilen durch Rhythmische Massage

Dr. med. Margarete Hauschka: Rhythmische Massage nach Dr. Ita Wegman. Boll/Göppingen 1972. Schule für künstlerische Therapie und Massage. 200 Seiten. Broschiert. 16,50 DM.

 

Nachdem die bekannte Ärztin in über drei Jahrzehnten unzählige Schüler in mehreren Ländern ausgebildet hat, seit 1962 in der von ihr gegründeten Schule, legt sie nun dies anschaulich schöne und vielseitige Büchlein vor. In drei Schritten werden die neuen Gesichtspunkte ausgeführt, die sich für die uralte Kunst der Massage – Hippokrates und der Schwede Ling werden besonders hervorgehoben – aus der Anthroposophie ergeben:

1. In den menschenkundlichen Grundlagen wird die physische Anatomie erweitert zu einer Anschauung der höheren Gliederungen in ihren Beziehungen zu den vier Elementen der Natur. Von hier aus ergibt sich ein vertieftes Verstehen der leiblichen Systeme, z.B. des Muskels, der Haut. - Bei aller Knappheit sind diese ”Erkenntnisgrundlagen” so ins Weite führend, dass sie für jede künstlerische Therapie und somit für jeden Arzt und für jeden am Menschenrätsel Interessierten zum Quellpunkt des Studiums werden können.

2. Nun erst wird auf Entstehung und Wesen der Rhythmischen Massage eingegangen, die die Polaritäten Sal – Sulfur zum heilenden Ausgleich bringt. Rudolf Steiner hat den fundamentalen Unterschied von Arm- und Beinmassage aus der Milz als dem ”Zentrum für die unbewussten Willenszustände” verständlich gemacht, und daraus lassen sich auch die weiteren Wirkungsmöglichkeiten ableiten. Denn Aufbau und Abbau, Leibliches und Geistiges lassen sich für jedes Organ dadurch regulieren, und solches ”Regulieren der rhythmischen Tätigkeit” ist das Wesen der Massage. - Wenn schliesslich die ”Grundformen” beschrieben und durch anschauliche Zeichnungen erläutert werden, so kann das zwar die persönliche Unterweisung von Mensch zu Mensch nicht ersetzen, aber ergänzen.

3. Im letzten, der Praxis gewidmeten Teil werden zunächst die vier Organ-Einreibungen (für Milz, Leber, Nieren und Herz) – ein Kernstück der Rhythmischen Massage – nach Technik und Bedeutung geschildert. Das grundsätzlich Neue zeigt sich hier am stärksten. Es folgt die Behandlung der Wirbelsäule, die aus der embryologischen Entwicklung begründet wird. Schliesslich wird das Vorgehen bei charakteristischen Syndromen, immer wieder menschenkundlich durchleuchtet, dargelegt und gezeigt, wie selbst bei Krebs, bei heilpädagogischen und psychiatrischen Leiden die Rhythmische Massage hilfreich sein kann. Das Ganze wird abgerundet durch eine Betrachtung über die Hand.

Die ausgezeichnete Darstellung der geistigen Grundlagen, verbunden mit grösster Lebensnähe, Lebendigkeit und Anschaulichkeit, machen das Buch wertvoll für jeden, der Wege des Heilens sucht.

Simeon Pressel

 

 

DIE HAUT, DIE LEBENDIGE, DREIGLIEDRIGE HÜLLE DES MENSCHEN

Niederschrift eines Vortrages in Kassel, 13.11.1976

 

Die Haut ist das grösste Organ, das vordergründigste, das umfassendste; es ist verflochten mit vielen Teilen. Die Haut ist ein umgrenzendes, schützendes und andererseits ein nach aussen verbindendes Organ. Sie ist das Organ der Seele: Erblassen, Erröten, Kaltwerden, Gänsehaut zeigt sich in ihr. Die Haut ist ein Mondenorgan, ein sich ewig erneuerndes Organ - ”Abnutzungserscheinungen” kann es daher nicht geben, solange sie mit Leben erfüllt ist. Im Gegensatz dazu steht das Gehirn (Caturn), das sich nicht erneuert. Die Haut ist ein Organ der Atmung; der Mensch muss streben, wenn 1/3 seiner Hautoberfläche nicht erhalten ist (Verbrennung, Anstrich mit luftundurchlässiger Substanz – der bronzierte Held).

Wie überall im Menschen und im Weltgeschehen ist auch die Haut dreigegliedert in Stoffwechseltätigkeit, Kreislauf-Rhythmusgebiet und Nerven-Sinnesgebiet. Es sind drei Schichten: Epidermis, Lederhaut und Unterhautgewebe.

Die äusserste Schicht – Epidermis – hat kein Blut, sie ist besonders empfindlich und dünn. Wie die vielen anderen Teile des Menschen, die kein Blut enthalten, ist auch sie darauf angewiesen, dass die Früchte des Blutes an sie herangetragen werden. Der oberste Teil der Haut ist beständig am Sterben.

Dort wo Sterben ist, ist das Ich am intensivsten. Es herrscht starke Ich-Tätigkeit, Bewusstsein vor. Unmittelbar unter den abgestorbenen Zellen ist Leuchten, das durchscheint – ähnlich dem leuchtenden Herbstlaub. Die Pigmentbildung findet sich ebenfalls in der Epidermis in der Nähe der Keimschicht. Die Sonne scheint nur zum Teil in die Haut hinein. Das UV-Licht kommt nur bis zur Keimschicht. Durch die Ozonschicht wird die Erde vor zuviel UV-Licht geschützt. Ist aber zuwenig UV-Licht da, tritt beim Menschen in der Jugend Rachitis auf. Denn durch das UV-Licht wird der Mensch befähigt feste Knochen zu bilden. Die anderen Teile des Sonnenlichtes, insbesondere das Rotlicht – die Wärme – treten tiefer ein.

Der Mensch ist selbst Lichtwesen, er erzeugt Licht. An ihn herangetragenes Licht muss er wie alles, was an ihn herantritt, umwandeln, damit es ihm nicht schädlich wird. Der Mensch erzeugt Licht in der Gegend der Niere. Dieses Licht muss man sauber vom anderen Licht trennen. Ist zuwenig Innenlicht vorhanden, entstehen TB Bazillen, die am Licht sterben. Bei eigener Tätigkeit verträgt der Mensch vieles besser, z.B. das Sonnenbaden.

Die Lederhaut ist zäh und reissfest. Sie enthält Blut. Bei manchen Krankheiten ist es heilsam ein Zuviel an Blut nach aussen zu lenken, etwa durch Bäder (Kopfweh, Magenleiden). Aber auch von sich aus reagiert die Haut mit wechselnd intensiver Durchblutung, z.B. bei Kälte. Ca ein Drittel der Blutmenge kann der Mensch in seiner Haut unterbringen. Die Lederhaut ist zwischen 2 mm und 3 cm dick. In dieser Schicht liegen viele glatte Muskeln, die nicht durch den Menschen bewusst gesteuert werden können z. B. Gänsehaut. Das Inkarnat entsteht in der Lederhaut, wobei das Blut unterschiedlich stark durchschimmert.

Das Unterhautgewebe ist mehrere cm stark. Dazu gehören Blut, Fettgewebe, Drüsen, Muskelgewebe. Haare und Nägel haben dort ihre Wurzel, die Schweissdrüsen ihren Sitz.

Damit die blutführenden Schichten der Keimschicht das Blut recht nahe bringen können, bilden sich durchblutete Papillen, bei stärkeren Rauchern verkrampfen sich die Kapillargefässe. Im Unterhautgewebe sind die Verdauungskräfte stark (Stoffwechselgebiet). DDT lagert sich dort vielfach ab. Silbervergiftungen, Bleivergiftungen finden dort statt. Im Unterhautgewebe werden wichtige Substanzen gebildet, so das Vitamin D aus Cholesterin.

Epidermis – Tod/Leben – Nervensinnesgebiet

Lederhaut – Träumen – Kreislaufrhythmusgebiet

Unterhautgewebe – Schlafensteil - Stoffwechselgebiet

Gerade im letzten Teil gehen die entscheidenden Prozesse vor sich.

Die grösseren Zusammenhänge:

Der erste Formungsprozess beim Menschen ist die Einstülpung der Haut und damit eine Trennung von Aussenhaut und Innenhaut. Es bilden sich Ur-mund und Ur-after.

Die Innenhaut ist Schleimhaut. Im Mund ist sie der Aussenhaut noch sehr ähnlich. Erst dort, wo wir das Essen ”vergessen”, es unserer Willkür entzogen ist, ist Schleimhaut. Dort macht sich der Mensch das Einverleibte ganz zu eigen. Hier ist man ganz bei sich. Ûber die Speisen, ”Speisen aus aller Herren Länder”, hat die Innenhaut (Niere, Darm…) Kontakt mit der Aussenwelt. Man kann das Einverleibte aber nicht bei sich behalten, man entäussert sich seiner wieder, verbindet sich dadurch wiederum mit der Welt. Gerade über den Stoffwechselorganismus ist der Mensch mit der Welt verbunden. Im Gesicht spiegeln sich die Vorgänge der Verdauung, insbesondere auch die Durchblutung des Rückengewebes.

Die Lederhaut hat intensive Beziehung zum Herzen über das Blutsystem. Das Herz ist absoluter Innenraum. Diese Hürde zu überspringen ist absolut notwendig. Das Blut benötigt Luft. Die Lunge hat ihre Wurzeln in der Atmosphäre, so wie die Verdauungsorgane ihre Wurzeln im Acker haben. Die Luft ist für den Menschen wichtiger als Arm und Bein.

Die Oberhaut har intensive Verbindung zum Rückenmark, das sich an seinem vorderen Ende zum Gehirn entwickelt hat. Die Sinnesorgane entwickeln sich daraus: ein Aufeinanderzuwachsen von Teilen der Oberhaut und des Gehirns. Die Oberhaut hat enge Beziehung zum Bewusstsein. (An dieser Stelle zitiert Pressel den Spruch der Woche.)

Praktische Folgerungen:

Die Haut kann zu stark sein oder auch zu wenig abschliessen, undicht sein: Ekzeme, Allergien, Sonnenbrand. Wenn die Lymphe herausgedrückt wird, wenn die Aussenhaut undicht ist, muss die Innnhaut aktiviert werden durch ein Anregen der Darmtätigkeit, des Stoffwechsels (Abführen, Hungern). Ist die Haut zu dick, zu dicht, muss sie belebt werden. Für geistige Tätigkeit ist zuviel Waschen z. B. nicht gut. Trockenbürsten ist gut. Nicht immer vom Scheitel bis zur Sohle, sondern verteilt über eine Woche. Die Muskeln sind bei denen, deren Haut zu dicht ist, leicht vergiftet zur Wohlstandskrankheit ”Faulheit”. Kinder, Hunde haben einen natürlichen Bewegungsdrang. Also die Haut beleben, deren Prozesse beleben. Der Brennesselschmerz ist gegenüber rheumatischen Schmerzen geradezu eine Wohltat. Meerrettich gerieben und aufgelegt als Teelöffelportion im Taschentuch an der Schmerzstelle für kurze Zeit, danach während der Nacht unter dem Fuss. Hahnenfuss, Buschwindröschen, Seidelbast sind milde Hautaufschliessungsmittel. Im feuchten Tuch z. B. um den Arm bei Verletzungen der Hand fördern sie die Durchblutung und damit den Heilungsprozess. R. Steiner: Bringt das Ich an die Verletzung. Bei Fieber früh morgens nach dem Trockenreiben den Rücken feucht abklatschen. Bei inneren Krankheiten kann man durch heftiges Tun von aussen das Leiden umwandeln; die Haut übernimmt das Leiden, z. B. wenn man bei einer Depression Meerrettichkompressen auf den Rücken legt und alle fünf Minuten weiterrückt den ganzen Rücken hinunter. Im verodneten Fall gab es eine total offene Fläche, die Depression aber war weg.

Menschen- und hautfreundliche Stoffe/Bekleidung: Wolle nimmt alles Schlechte auf – das Schaf als Opfertier.

Jedes Wissen, das nicht zur Tat wird, wird Gift. Nur das, was der Mensch tut, wird ihm heilsam.

Nicht so sehr ein Ûberviel, ein Zuviel, als vielmehr die Bewegung, auch die Geistige, ist heilsam.