Liebe Freunde Simeon Pressels,
beim Umzug meiner Mutter fand ich einen mit unbekannter Hand geschriebenen Text, den ich hier vorlegen möchte. Es scheint die Abschrift einer Bandaufnahme zu sein von einem mündlichen Bericht. Ich erinnere mich an einen Abend in meiner Kindheit, etwa 1969, als wir in den Sommerferien in Holland waren: Mein Vater war eingeladen, für Mitglieder der Christengemeinschaft in Haarlem aus Weissrussland zu erzählen; er spielte auch auf der Geige vor zwischendrin, Stücke von Bach, die er in der Gefangenschaft gespielt hatte. Eine ähnliche Zusammenkunft scheint dem vorliegenden Text zugrunde zu liegen. Manche Stellen waren vom Band wohl nicht hörbar und sind auch im ”Original” gepunktet: ... Manche sind für mich nicht eindeutig lesbar und werden mit (?) angegeben. Mit rotem Stift sind Stichworte unterstrichen, hier hebe ich sie hervor. Ich glaube, dass diese Unterstreichungen von ihm selbst gemacht worden sind: an einer Stelle ist ein abgekürztes Wort mit dem selben roten Stift ergänzt worden, und zwar meine ich in seiner Handschrift. Der Text wirkt nicht abgeschlossen. Durch die häufigen Formulierungen im Präsens vermute ich, dass dieser Bericht relativ bald nach seiner Heimkehr stattgefunden haben mag. Namen und Datum fehlen. Wo von Russland die Rede ist sollte es wohl Weissrussland heissen.
Von mir ins Reine geschrieben wird er heute am 21.8.2012.
Ein herzlicher Gruss von Jülia Pressel
Liebe Freunde.
Wenn ich aus den drei Jahren russischer Kriegsgefangenschaft, die ich durchleben durfte, hier berichte, so geht ... erst einmal ... so wie sie vielleicht auch noch im Laufe meiner Erzählung in diesem Kreise entnehmen können. Die Gefangenschaft gestaltete sich in zwei Arten (?). Die erste ist dadurch bedingt, dass in ... sondern das, was Kameraden erlebt, die drüben geblieben sind. Schon in den ersten zwei Jahren ist mehr als die Hälfte aller der sich in Russland befindlichen gestorben (?) Später besserten die Verhältnisse sich etwas; es wird sich dazu noch einiges anschliessen was sich ergab an höchster Widerstandskraft, an besondere Eignung (?), neue Entwicklung; Eignung (?), gerade solche Situationen zu überwinden. Wie kommt es, dass so viele da drinnen nicht stand gehalten haben in einem Schock ist ja vieles eingeschlossen. Die meisten von uns haben ja schon irgendeinen Schock erlebt sie können sich daraus ein Bild machen, dass ein Mensch der diesen Schocks von verschiedener Seite her ausgesetzt ist ... nicht mehr die Zeit findet diese zu überwinden und in einen Zustand kommt, den man als Sturheit bezeichnet.
Schon in den ersten Gefangenenlagern durch die ich gekommen bin, konnte man es erleben dass die Menschen nicht mehr an ihrer Umgebung Anteil nahmen, sondern stumpfsinnig vor sich hinbrüteten und gerade noch dachten, wann gibt es die nächste Mahlzeit. Ich habe ein Tagebuch mitgenommen, in diesem konnte man lesen: Heute gab es wieder nichts Neues; auch heute gab es wieder keinen Tabak; heute bekamen die Offiziere Tabak, wir wieder keinen! So sieht der Tag eines Durchschnittsgefangenen in dieser Zeit aus. Sehr viele beschäftigten sich damit. Ich kann sagen dass ich von dieser Form der Gefangenen ... völlig frei geblieben bin. Einmal wollte es mir auch kommen, im Sommer, da die Schwalben in der Luft hinzogen, als hätten diese es besser als ich. Ach wie töricht! ... Im Gegenteil, ich hatte gegen Ende der Gefangenschaft eine Art Besorgnis wieder in die Freiheit der vielen Möglichkeiten hineinzukommen wie das in der Gefangenschaft möglich ist.
Nun zurück ins Gefangenenlager in einen Gang eines Lagers der Platz für 10.000 Mann hatte, jedoch meistens mit 35.000 belegt war. Die Leute fanden irgendwo ein Stück Brett oder Pappe und bauten sich eine Art von Windschutz zusammen, wo sie bei Regen hineinkriechen. Einmal hatte ich einen Wolkenbruch erlebt; das Dach wurde abgehoben dabei gab es einige Knochenbrüche. Das Dasein dieser Menschen ist nicht beneidenswert. Mein Schlafplatz zeichnete sich dadurch aus dass es nicht geregnet hat. Wenn man nun diesen Gang durchgeht, so sieht man hockende und liegende elende Menschen. Greift einer irgend einen Fetzen Papier oder sonst etwas an, dann schiesst ein anderer auf ihn los und sagt das gehört mir. Vom Stein aufwärts hat alles irgendeinen Eigentümer. Ein zweiter Gang in den ersten Tagen: Man sieht Menschen, die irgendwo in einer Ecke sitzen und ein Tuch hielten; dieses Taschentuch wird einmal gewaschen und dabei hat der Gefangene einen Begriff von seinem Dasein. Dieses Bild habe ich immer wieder gesehen.
Die sinnvolle Tätigkeit fehlt fast allen. Der Arbeitseinsatz nach russischem Begriff hat völlig Sinnloses. Die Menschen sind einmal hier einmal dort. Von 100% Arbeitsleistungen ... Es gibt Leute die 60 und 80% nur dafür eingesetzt werden. Ich habe erfahren, dass diese Einteilung, wieviel einer geleistet hat, hier einfach unberücksichtigt gelassen wird, da der Aufsichtsführende vorgeschrieben bekommt wieviel er mit 100% schreiben darf u.s.w. Hier spielt die Sympathie und Antipathie eine grosse Rolle. Eine ärztliche Betätigung ... Rasch ... Auch sieht man Sportleute elend zugrunde gehen. Einen 6 Tage-Rennfahrer habe ich an einer ... sterben sehen; ferner einen Boxer, der im ersten Sommer bei den Veranstaltungen aufgetreten ist; oder einen Hürdenmeister ... Tennismeister.
Die weiteren Stunden bis zum Tode sind leicht zu beschreiben. Von aussen sieht es so aus; der Stumpfsinn nimmt zu; anfangs stehen sie noch auf zum essen, dann lassen sie sich dasselbe ans Lager bringen und eines Tages lassen sie ihr Essen stehen; dann kommt Durchfall Symth.? Und in den letzten drei ... Reaktion mehr zu bezeichnen. Dann sind sie geistig abwesendund man kann kaum sagen, wie diese Menschen gestorben sind. So sieht der Tod von 99% Kriegsgefangenen aus, die nicht an Krankheiten starben. Ich habe ein einziges Mal bei einer Dyph. einen Todeskampf gesehen. Ferner habe ich mindestens 100 sterben sehen, wo die Menschen mehr oder weniger aus der Vollkraft herausgerissen wurden; dieses langsame Dahinwelken. Epidemien habe ich so gut wie keine erlebt. Allein 800 Menschen hatte ich allein zu betreuen. Fleckfieber Ep?; eine Isolierung bestand damals noch nicht.
In den meisten Lagern ist es schlimm zugegangen. Die Kranken, die von einem Arzt auf die ... gesteckt worden sind, sind früher oder später von einem Offizier herausgeholt worden. Leider waren an diesem Tun auch deutsche Lagerführer beteiligt und ich verschweige dies hier nicht. Eines Tages wurde ein Mensch zur Arbeit geprügelt, der am Nachmittag noch gestorben ist; für russische Begriffe ist dies jedoch alltäglich. Eine Freude hatte man nicht erlebt in der ganzen Zeit. Dann wurden Ambulanzstunden eingeführt; diese wurden in einem Erdbunker abgehalten. Fenster, Türen und Beleuchtungskörper gab es nicht. Als Licht diente die Beleuchtungsöffnung, die während den Ambulanzstunden offen gelassen wurde; nachts wurde diese mit Betten verstellt. Da tritt dann eine Reihe von Menschen an und gibt die Beschwerden preis; meistens Blasenbeschwerden. Herr Doktor ich kann das Wasser nicht halten, ich bin ständig nass. Im ersten Sommer 45 waren diese Blasenbeschwerden besonders heftig; ein Rätsel, das mit der üblichen Betrachtung nicht zu klären ist.
Nach einiger Zeit gab es Medikamente und Strohsäcke; vorher hatten wir auf dem blanken Holz geschlafen. Es gab wieder Decken; doch diese wurden dann wieder abgenommen. Die deutschen Landser waren dieser halb ebenso schuld wie die Russen. Die Decken wurden abgenommen um diese wieder verkaufen zu können. Um den Zaun stand die Zivilbevölkerung und mit dieser wurden den ganzer Tag Geschäfte gemacht: Schuhe wurden um eine handvoll Tabak abgegeben. Die russischen Poste jedoch nahmen sämtliche Gegenstände der Zivilbevölkerung wieder ab, damit diese sie nicht verkaufen könnten. Ein junger Mensch hatte dreimal seine gesamte Uniform verkauft und von einer mildtätigen Lagerführung nachher wieder eine bekommen. Eine Erscheinung, die man nicht mehr mitermessen kann.
In vielen Fälle musste der ärztlich Zuspruch helfen. Ich versuchte die Menschen wieder in die Wirklichkeit hereinzuziehen. Ich erinnerte mich gelesen zu haben, dass ein Arzt auf die Kraft des ..., auch auf die Lautstärke. Es blieb nichts anderes übrig, als die Menschen des öfteren mal anzubrüllen. Kein Ausweg blieb, um sie in die Wirklichkeit hereinzuholen. Das zweite was ich tun konnte, war Massage. Ich selber bin ein grosser Freund der Massage. Früher habe ich mich schon viel damit beschäftigt und hat sich diese als gut erwiesen solange man gesunde Hände hat. Die schwierigsten Fälle habe ich selber massiert. Unter den Leuten habe ich gesucht, wer die Eignung dazu hat. Der Kriegsgefangene tut nichts wozu er nicht gezwungen wird. Bald fanden sich jedoch einige, die massieren konnten. Mehrmals liess ich die Belegschaft meiner Abteilung morgens antreten, jeder bearbeitete den Rücken seines Vordermanns. Auf diese Weise habe ich einen sehr guten Masseur herausgefunden. Ich habe ihn mir herausgeholt und wurde dieser später mein Hauptsanitäter und Masseur.
Von diesem Waldlager aus kam ich wegen eigener Krankenheit in ein Lazarett. Ein bis zwei Tage muss man warten, bis man hier dran kommt. Die Einweisung geschieht meistens Samstags und vor Montag wird man nicht angenommen. Bei diesem Liegen im Vorraum pflegen immer einige zu sterben. Bei meiner Einweisung starb der erste ehe er das Waldlager verlassen hatte; der zweite starb in der Bahn; der dritte beim Ausladen; in der Wartezeit keiner. Danach wird der Kranke ausgezogen und verliert dadurch alles an Privatbesitz. Zurück bekommt er seinen Löffel, Tabak und Handtuch, evtl. auch Zahnbürste, sofern er noch einen solchen ”Luxusartikel” besitzt. Dann kommt er in das Bad. Dies ist eine Art Waschküche mit eimerähnlichen Gegenständen. Die Löcher sind mit Fetzen zugestopft, damit das Wasser langsamer rinnt. Dies ist die sogenannte Entlausung! Danach wird der Kranke in Hemd und Unterhose, gleich ob bei Schneesturm oder nicht, in die Baracke. Der Abort ist im Freien und von einem Dach bedeckt. Im übrigen sonst den Blicken anderen zugänglich; denn jegliches Schamgefühl ist mit der Zeit restlos erloschen.
Nachdem ich den Winter dort mit einer ... durchgestanden hatte kam der Sommer und es wurde den Ärzten Gelegenheit gegeben (das Lazarett bestand aus zwei Baracken, die voll belegt waren) öfters in den Wald zu gehen; anfangs freiwillig mit dem Holzkommando. Der Russe hat hierin ein eigenes Prinzip. Jeden Tag wird nur soviel Holz beschafft, als man für den Tag benötigte. Es wird bei den Russen nicht vorgearbeitet! - In allen Lebensmittelgebieten ist dies genauso.- Anfangs haben die Landser Holzscheite unter dem Kopfkissen versteckt, jedoch der Holzkommandant musste alles durchsuchen. Die Arbeitstätigkeit war meistens am Vormittag leicht zu bewältigen, der Nachmittag war dann frei. Dabei ergab sich sehr bald, dass die ersten Erd- und Brombeeren mitgepflückt wurden und inzwischen war auch unsere Lagerverwaltung etwas menschlich eingestellt. Damit ergab sich für mich die Gelegenheit, Heilkräuter zu sammeln. Ich brachte sehr viele Sträusse und Kräuter mit nach Hause. Anfangs sahen die Russen etwas skeptisch meinem Tun zu, doch später wurde ich offiziell damit beauftragt die Herstellung einer grossen Apoteke zu übernehmen.
Leichte Kranke wurden mir zur Verfügung geställt. Die russische Volksmedizin ist sehr angesehen und wird von der Universität sehr gefördert und wissenschaftlich fundiert. Ich habe in den wenigen Arbeiten, die ich von dieser Art gelesen habe die rechte ... gefunden. So habe ich z. B. eine Arbeit in Erinnerung, die ich erst im Frühjahr las, dass im Knoblauch, Zwiebeln und anderen Gewürzpflanzen ein Stoff enthalten sei, der in kurzer Zeit (5 Minuten) sterilisierend wirkt. Schliesslich kam es so, dass wir jeden Nachmittag herausgehen und leichte Kranke mitnehmen durften. Jeder Arzt ging mit 5-10 Kranken nach dem Mittagessen los. Diese Umgebung ist fast völlig flach und trostlos. Meine sämtlichen Bücher habe ich gerettet und mit nach Deutschland gebracht.
Im Frühjahr wurden wir von einem herrlichen Nachtigallenkonzert beglückt, wie ich es noch nie gehört habe. Hunderete von Nachtigallen brachen Tag und Nacht in einen Jubel aus. Die Nächte waren ziemlich hell. Der Ort war bei Polrzk. Nur von 12-1 war es leicht dämmerig. Ähnlich konnte es einem ergehen in den Wäldern bei dem Jubel der Pflanzenwelt. In dieser Gegend war viel Sumpf daher bestand auch diese ungeheure Triebkraft. Jeder von und Ärzten hatte seine Lieblingsgegend und ich bevorzugte einen Wald, meinen Lieblingswald. Nun war es schön zu sehen, wie die Menschen in dieser Natur ein wenig auftauten. Meistens verloren sie sich sehr stark in dieser Natur. Aber bald wurden die Leute auch wieder lebendiger.
Nun möchte ich noch etwas erzählen was ich versucht habe. Ich möchte dafür den Ausdruck brauchen: das Aufschliessen eines Menschen! Dieses Aufschliessen konnte ja schon beobachtet werden, wenn man dieses Auftauten in der Natur erleben konnte. Ich habe einen kleinen Menschenkreis um mich versammelt, mit denen ich den ersten und zweiten Teil von Goethes Faust lesen konnte, der zur Verfügung stand. Ein einziger von diesen Menschen kannte etwas von Dr. Steiner; es war dies ein Basier (?) aus Schlesien. Mit der Zeit bildete sich ein grösserer Kreis; es wurden Vorträge gehalten. Die Handwerksmeister wurden aufgefordert Vorträge zu halten. Später nahm ich mir diesen Kreis es waren etwa drei oder vier Menschen geworden und fing an mit diesen direkt von Anthroposophie zu sprechen. ”Morgenstern”. Wir fingen nun an uns die dunklen Winterabende zu kürzen und uns anderweitig auszusprechen. Bald hatte ein jeder ein kleines Pens auswendiggelernt und so ergab sich eine Art Feierstunde ”Morgenstern”, Leitspruchsätze. Sehr bald wurde es notwendig noch einige Dinge sorgfältiger zu verarbeiten; daher wurde es so gemacht dass wir für einen Abend ein solches Gebiet ansetzten. Das nächste mal übernahm einer aus unserem Kreis jeweils einen solchen Abend und versuchte nun eine Stunde lang etwa uns alles lebendig zu machen. Es ist klar, dass wir durch diese Fühlungnahme einander näher kamen, nicht nur mir gegenüber, sondern auch untereinander eine Art von Aufschliessung erfahren haben wie sie sonst nicht vorgekommen ist. Nun müssen sie sich denken, was das für eine Erlösung sein muss, wenn es gelingt aus dieser Kraft diese Decke zu durchstossen. Ein solches Erlebnis musste versucht werden den anderen Menschen zu vermitteln; aber gerade auch den Weg zu M. zu finden in diesem Milieu allein die Wohnungsbedingungen!-
Brei per Mann zwei Esslöffel. Nach der Krankenheit ebenfalls mir diesen Brei; die Qualität war hervorragend und überhaupt die Nahrungsprodukte waren von besonderer Qualität; hauptsächlich die Kartoffeln. Das Brot ist meistens sehr gut, nur sehr nass gebacken. Die ganze Atmosphäre und die Enge, so wie die Schwierigkeiten mussten durch eine offensive Geistesanregung durchstossen werden. Das konnte nicht geschehen ohne die Hilfe, die ich in der Anthroposophie schon gefunden hatte und die ich wieder aus meiner Erinnerung herausholen musste. Ich nenne diese Haltung eine Offensive. Ich habe dort andererseits die Zeit gehabt und seit meiner Gesundung im Sommer 46 ist auch kein Tag mehr vergangen ohne dass ich die Tage Rückschau und sonstige med. Anregungen gemacht hatte. Rückschau = Schilderung eines Gefangenen hinterm Stacheldraht.
Im letzten Jahr war meine Tätigkeit viel gewaltiger. Inzwischen war die Ernährung besser geworden; die Wohnungsbedinungen waren anders. Wir bauten eine grosse Scheuer zu einem Lazarett aus mit Einzelbetten und ein anständiges Bad war auch zur Verfügung. Ich hatte sogar ein Wannenbad genommen. Ich richtete mir nun eine eigene Apoteke ein und hinterliess bei meiner Abreise eine solche mit 30 verschiedenen Medikamenten, einen grossen Speicher mit Heilkräutern. Die Zubereitung der homöopatischen Medikamente stiess auf gewisse Schwierigkeiten anfangs. Es kam sehr bald dazu, dass meine Medikamente von den Russen sehr gefragt waren.- Quecksilber – D6 - den Sohn des Lazarett Aufsehers (?) machte ich gesund damit und von da an war nichts mehr zu befürchten in meiner Apoteke.
Gemeinschaftsbehandlung: Die Belegschaft meiner Abteilung bekam inzwischen ein eigenes Zimmer. Wenn ich nun morgens in meine Abteilung mit 20-40, meistens bis 70 Patienten eintrat, so war mir schon der Weg dorthin immer eine innere Prüfungszeit, wieviel ich an Kräften diesen Menschen bringen kann. Wir haben in dieser Abteilung aber nicht nur versucht die Krankheiten zu behandeln, sondern das Gemeinschaftsleben zu fördern getrachtet. In der Vorweihnachtszeit wurden ausser den Vorträgen und Weinachtslieder, Andachten von einem katholischen Ordenspriester gehalten. Wir lasen ferner Faust und Goethes Werke, dabei konnte einem die Sprache des letzteren zu einem besonderen Erlebnis werden. Später konnte ich fundiert auf diesem Erlebnis in meiner Abteilung auch Bücher von Meister vorlesen. Alles war hellauf beschäftigt! Später wurden Novellen gelesen; ferner standen uns Gedichte zur Verfügung.
Nun noch etwas über die Gestaltung unserer Feiertage. Weihnachten ist der Höhepunkt in der Gemeinschaft und so sind die drei Weihnachten, welche ich in Russland erlebt habe, für mich unvergesslich. Bei der letzten Weihnachtsfeier sprach zuerst der Geistliche (mein Sanitäter) dazwischen kamen Lieder, inzwischen standen uns einige Gesangbücher zur Verfügung, sowie Notenmaterial. Anschliessend sprach ich einige Worte. Ich stellte dort einander gegenüber das himmlische Licht was in der Atom. in Japan aufgetaucht war und das himmlische Licht von Bethlehem was zur Errettung der Menschheit geleuchtet hat. Dann folgte eine Ansprache aus dem Patientenkreise. Zum Abschluss spielten wir einige Lieder, die mein Sanitäter mit mir geübt hat. Ebenfalls war ein schöner Weihnachtsbaum vorhanden.
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