Liebe LeserInnen,
in diesem Archiv werden, angefangen im Mai 2024, Texte von Simeon Pressel veröffentlicht, die bisher unbekannt oder schwer zugänglich waren, die wir aber der Allgemeinheit zur Verfügung stellen wollen. Das Archiv wird allmählich angefüllt, mit Aufsätzen, Buchbesprechungen, Briefauszügen und dergleichen.
BUCHBESPRECHUNG: Mit großer Zukunft — hinter sich
Guido Fisch: A k u p u n k t u r .
Chinesische Heilkunde als Medizin der Zukunft. Stuttgart 1973.
Deutsche Verlags-Anstalt. 144 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. Paperback. 16,80 DM.
Die uralten Weistümer der Atlantis glimmen noch nach im alten China. So kann man dort auch auf dem Gebiete der Heilkunde Reste geistvoller Zusammenschau erwarten. Der Schweizer Arzt G. Fisch, der seit zehn Jahren mit diesen Überlieferungen arbeitet, legt in 112 Seiten, reich bebildert, einen anschaulichen Abriß dieses Wissens vor. Immer wieder klagt er, daß die bei uns gängigen Fragmente davon nicht den großen Horizont aufleuchten lassen und dadurch zu formalistischen Patentrezepten reduziert sind - ein Prozeß, den wir ja auch von eigenen Traditionen im Stadium des Erlöschens so gut kennen, und der auch schon im alten China nicht unbekannt war.
Die alt-chinesische Heilkunde geht von großen Zusammenhängen aus, die Makro- und Mikrokosmos, Natur und Mensch in gleicher Weise um fassen. Da ist einmal die große Polarität von »Yin und Yang«, die nur von fern mit weiblich männlich angedeutet werden kann. Der ganze Organismus wird danach eingeteilt, aber eben nicht statisch fixiert, sondern immer relativ zum Vergleichspunkt. So ist das Körperinnere immer Inn (oder Yin, wie es in anderen Darstellungen meist lautet) im Gegensatz zur Oberfläche, aber alle Hohlorgane (z. B. Magen, Darm) sind wieder Yang . . . Ähnlich übergreifend ist die Einteilung aller Erscheinungen nach den »Fünf Elementen« benannt, »Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser«. Je nach der Anordnung wirken sie aufbauend oder zerstörend zusammen oder aufeinander. Nicht nur Körperschichten und Organe, sondern auch Jahreszeiten, Farben, seelische Gefühle, alles entspricht diesen fünf Elementen! Für das Geschehen zwischen Gesundheit und Krankheit ist das Gleichgewicht der verschiedenen Energien (4-5) und ihr Verhältnis zur Außenwelt, z. B. der gefährlichen Wind-Energie bedeutsam. Erst vor diesem gewaltigen Hintergrund baut sich das höchst komplizierte System der Meridiane und Punkte auf, in denen sich jene Energien strömend fortbewegen. Stocken diese Ströme, dann hilft die Akupunkturnadel, den Ausgleich wieder herzustellen.
Dies theoretisch wie praktisch gleich imposante Gebäude kann dem Interessierten viele Anregung geben! Kann es für uns die »Heilkunde der Zukunft« werden? Etwa so, wie manche Ähnliches vom indischen Yoga erwarten? Hier kann der Kenner der anthroposophischen Heilkunde nur mit Nein antworten! Als der römische Götterhimmel verblaßte, holte man fremde Kulte aus aller Welt in dies Vakuum herein; so zieht die entgeistigte Denkprimitivität unserer offiziellen Medizin Heilverfahren ferner Zeiten und Länder herein, ohne Rücksicht, ob sie auch jetzt und hier fruchtbar sind. Bei aller Hochachtung vor der gedanklichen Größe Alt-Chinas, vor den verblüffenden Leistungen der Jahrtausende alten Akupunktur bei Krankheiten, neuerdings (seit 1958) als Narkose-Ersatz, kann nur eine klare Gegenüberstellung mit der aus den tiefsten Kräften Mitteleuropas gewachsenen Heilkunde zeigen, wo wirklich die Zukunft liegt. Ein jedem modernen Denkbedürfnis genügendes einheitliches Weltbild, das Natur und Mensch, Gesundheit und Krankheit, Leib, Seele und Geist gleicherweise durchdringt, das in Evolution und Pädagogik die frühesten Anfänge prophylaktisch erfaßt, eröffnet in der Therapie Möglichkeiten, die denen des Ostens nicht nachstehen. Gerade diese, die anthroposophische Medizin (und Pädagogik) macht aber den Blick frei für die wahren Werte der chinesischen Ûberlieferung. So muß man wünschen, daß viele sich durch die Größe der Vergangenheit anregen lassen, die noch weit größeren Horizonte der Gegenwart und Zukunft zu erobern.
Simeon Pressel
BUCHBESPRECHUNG: Heilen durch Rhythmische Massage
Dr. med. Margarete Hauschka: Rhythmische Massage nach Dr. Ita Wegman. Boll/Göppingen 1972. Schule für künstlerische Therapie und Massage. 200 Seiten. Broschiert. 16,50 DM.
Nachdem die bekannte Ärztin in über drei Jahrzehnten unzählige Schüler in mehreren Ländern ausgebildet hat, seit 1962 in der von ihr gegründeten Schule, legt sie nun dies anschaulich schöne und vielseitige Büchlein vor. In drei Schritten werden die neuen Gesichtspunkte ausgeführt, die sich für die uralte Kunst der Massage – Hippokrates und der Schwede Ling werden besonders hervorgehoben – aus der Anthroposophie ergeben:
1. In den menschenkundlichen Grundlagen wird die physische Anatomie erweitert zu einer Anschauung der höheren Gliederungen in ihren Beziehungen zu den vier Elementen der Natur. Von hier aus ergibt sich ein vertieftes Verstehen der leiblichen Systeme, z.B. des Muskels, der Haut. - Bei aller Knappheit sind diese ”Erkenntnisgrundlagen” so ins Weite führend, dass sie für jede künstlerische Therapie und somit für jeden Arzt und für jeden am Menschenrätsel Interessierten zum Quellpunkt des Studiums werden können.
2. Nun erst wird auf Entstehung und Wesen der Rhythmischen Massage eingegangen, die die Polaritäten Sal – Sulfur zum heilenden Ausgleich bringt. Rudolf Steiner hat den fundamentalen Unterschied von Arm- und Beinmassage aus der Milz als dem ”Zentrum für die unbewussten Willenszustände” verständlich gemacht, und daraus lassen sich auch die weiteren Wirkungsmöglichkeiten ableiten. Denn Aufbau und Abbau, Leibliches und Geistiges lassen sich für jedes Organ dadurch regulieren, und solches ”Regulieren der rhythmischen Tätigkeit” ist das Wesen der Massage. - Wenn schliesslich die ”Grundformen” beschrieben und durch anschauliche Zeichnungen erläutert werden, so kann das zwar die persönliche Unterweisung von Mensch zu Mensch nicht ersetzen, aber ergänzen.
3. Im letzten, der Praxis gewidmeten Teil werden zunächst die vier Organ-Einreibungen (für Milz, Leber, Nieren und Herz) – ein Kernstück der Rhythmischen Massage – nach Technik und Bedeutung geschildert. Das grundsätzlich Neue zeigt sich hier am stärksten. Es folgt die Behandlung der Wirbelsäule, die aus der embryologischen Entwicklung begründet wird. Schliesslich wird das Vorgehen bei charakteristischen Syndromen, immer wieder menschenkundlich durchleuchtet, dargelegt und gezeigt, wie selbst bei Krebs, bei heilpädagogischen und psychiatrischen Leiden die Rhythmische Massage hilfreich sein kann. Das Ganze wird abgerundet durch eine Betrachtung über die Hand.
Die ausgezeichnete Darstellung der geistigen Grundlagen, verbunden mit grösster Lebensnähe, Lebendigkeit und Anschaulichkeit, machen das Buch wertvoll für jeden, der Wege des Heilens sucht.
Simeon Pressel
BUCHBESPRECHUNG: "Pfiffikus Schelmennuss"
Neue Rätsel von Erika Beltle,155 Seiten, D M 8,50 im J. Ch. Mellinger-Verlag Stuttgart.
Die uralte Kunst des Rätselns scheint der Vergangenheit anzugehören. Wer in die Rätselwelt des älteren oder dieses neuen «Pfiffikus» lustwandelt, kann jedoch eine unserer Zeit entsprechende Blüte dieses Phantasiespieles herankommen sehen. In heiter-spielerischen Umschreibungen, aber völlig eindeutig und exakt, wird man an das Geheimnis gerade so viel herangeführt, daß das Staunen sich entfalten kann. Erika Beltle scheint uns das Verweilen in dieser schöpferischen Phase nicht nur nahelegen, sondern liebenswert machen zu wollen. Das gelingt ihr durch die knappe, rhythmisch-bewegte Form, in der diese «gegenstandlose» Kunst das Drumherum so darstellt, daß der hastige Intellekt einen Augenblick ruhen kann und im Dämmerlicht die tieferen Weisheiten des Lebens oder der Sprache aufglimmen. So mag heilende Ruhe für überanstrengte Gehirne aus den fast 150 Schelmennüssen erwachsen, die der neue Pfiffikus uns im gleich handlichen Oktavbändchen bringt!
Simeon Pressel aus Die Drei, Heft 6, 1965
BUCHBESPRECHUNG: Wolle und Seide
Der Mensch als Wärmewesen. Bekleidungshygienische Betrachtungen von W. Chr. Simonis
Sozialhygienische Schriftenreihe Band 5. Stuttgart 1972. Verlag Freies Geistesleben. 80 Seiten mit Abbildungen. Broschiert. 10,- DM
Was bedeutet die Wärme für den Menschen? Wie weit ist seine Kleidung Schmuck oder aber Schutz und Hülle? Wie entwickelte sie sich bei den Alten, besonders bei Griechen und Römern? Nach der Erörterung solcher Fragen führt der bekannte Arzt und Shriftsteller zu einer intimeren Betrachtung des Geschehens zwischen Haut und Kleidung, die über das rein Physikalische ins Organisch-Lebendige und Menschengemäße erweitert wird. Damit ist die Grundlage gegèben, auf die einzelnen Rohstoffe einzugehen, von denen Wolle und Seide nicht nur die ältesten sind, sondern auch dem Menschen die höchste Steigerung seiner Fähigkeiten erlauben. Wenn nun noch die weiteren Rohstoffe: Baumwolle, Flachs, schließlich die synthetischen Fasern beschrieben werden, so erhöht sich aus dem Kontrast der Eigenschaften die Sonderstellung der Tierfasern. Während zum Beispiel ein durchgeschwitztes Leinen- oder Baumwollhemd kalt auf der Haut klebt, nimmt das wollene Hemd bis zu einem Drittel seiner Masse an Flüssigkeit in sich auf und bindet vor allem die Gifte chemisch, bleibt also meist trocken. Leinene Kleider trugen die Priester der Israeliten und des Isiskultes; das begünstigt eine Seelenhaltung, die sich weniger stark mit dem Irdischen verbindet. Das ungemein vielgestaltige Reich der Kunstfasern bietet zwar endlose technische Variationen, führt aber vom eigentlich Menschlichen ab; so fühlen sich besonders Künstler oft im Schöpferischen behindert und ziehen die Seide vor.
Die Zubereitung aller dieser Stoffe wird nicht nur anschaulich geschildert, sondern auch noch mit zwölf guten Fotos deutlich gemacht. In den Schlußkapiteln wird dann das Fazit gezogen und zu einer Fülle »praktischer Hinweise« verarbeitet. So für die Bekleidung von Säugling und Kind, für Kranke, für die Zubereitung des Bettes von der Matratze bis zur Bettwäsche; auch für Menschen mit empfindlicher Haut, die oft Wolle nicht vertragen, wird Rat gegeben. So kann das leicht lesbare Büchlein vielen ein Helfer werden.
Simeon Pressel
Aus Die Drei, Heft 5, 1973: Haut und Kleidung
BUCHBESPRECHUNG: Der Baunscheidtismus
Dr. Gg. Alfr. Tienes im Hippokrates-Verlag, 56 Seiten, engl. broschiert DM 5.20
Seit der genial-einfachen Entdeckung des Mechanikers Carl Baunscheidt 1848, bei der die alt-chines. Akupunktur durch einen heimgekehrten Missionar Pate gestanden hatte, ist sein Verfahren in mercurialer Vielfalt angewandt worden. Erst in akademischen Ehren der Univ. Bonn, sowie von vielen Ärzten, dann unter der materialist. Verödung in der Laienmedizin untergeschlüpft, um jetzt wieder durch die Wissenschaft vom Lebendigen neu verstanden zu werden. (Dr. Steiner hat es auch gelegentlich angewandt und das Wesen charakterisiert als ”Verallgemeinerung des lokal. Prozesses”).
Der Verfasser, ein vielseitig erfahrener Natur- und Kneipparzt, sowie Verfechter des biol.-dyn. Landbaues, gibt ein von therapeutischer Begeisterung getragenes Bild des ”Lebenswecker-Verfahrens”, seiner geschichtl. Entstehung, techn. Durchführung, der Beziehung und Kombination mit anderen Therapieformen, vor allem zahlreicher geglückter Kuren.
Man könnte den Grundzug des Baunscheidtismus kurz so umreissen: Nerven- und Bluttätigkeit des Hautorgans werden mächtig angefeuert, ein neuer Ansatz zur Reaktion wird dem Körper gegeben. In der Hand eines Arztes, der seinen Kranken gut kennt, kann dies schlichte Gerät segensreich wirken.
Das Büchlein bringt auf 56 Seiten soviel Anregung zum Denken und Heilen, dass man es bei vielen, vielleicht ausweglos scheinenden Problemen zu Rate ziehen kann. In einer Zeit, die von der Zurückdrängung der Ich-Tätigkeit im Entzündlichen (Penicillin) gezeichnet ist, verdient ein Verfahren des umgekehrten Weges besondere Beachtung. S.P.
Beiträge Erweiterung der Heilkunst, 1955, Heft 5/6
Anmerkung Februar 2025: Siehe auch www.baunscheidtoel.de
BERICHT SOMMERTAGUNG IN SCHOTTLAND
”Sprachstörungen im Kindesalter” mit Dr. Karl König, Camphill vom 26.7. bis 3.8. 1953
Beiträge Erweiterung der Heilkunst, 1954, Heft ¾
Simeon Pressel
Zu dieser Tagung kamen rund 80 Teilnehmer aus Mittel- und Nordeuropa, vorwiegend Pädagogen und Heilpädagogen, und einige Ärzte.
Manche hatten schon die Zusammenkünfte der vergangenen Jahre miterlebt, deren letzte sich mit den Psychosen des Kindesalters beschäftigte. Dadurchgenen Jahre miterlebt, konnte die Arbeit, auf den früheren Erlebnissen aufbauend, sich zu einem wahren Sturmlauf gemeinsamen Erkennens steigern, von dessen Fülle hier nur einige Ergebnisse angedeutet werden können.
In der Abgeschiedenheit der schottischen Heime, idyllischen Herrensitzen mit ausgedehnten Parkwäldern, konnte man sich ungeteilt den klinischen Vorführungen und Besprechungen des Vormittags, den praktischen Ûbungen des Nachmittags (Sprachgestaltung und Heileurhythmie) und den Abendvorträgen hingeben. Zu letzteren gesellten sich aus der Umgebung (Heime, Aberdeen) noch zirka 120 Zuhörer, so dass die Kapelle in Newton Dee sie kaum fassen konnte.
Neben Dr. König, der den Morgen- und Abendvortrag hielt, wirkten mit: Dr. Ernst und Frau für Sprachgestaltung (Dornach) und Frl. Lissau für Heileurhythmie (Camphill).
Ein grosses Bild stand am Anfang, und bewährte sich als Hintergrund für den weiteren Verlauf der Tagung:
Die Menschen, eingetaucht bis zum Kehlkopf in den Ocean der Bewegungs- und Sprachkräfte. Aus seiner unbewussten Tiefe strömen sie nach oben und werden durch das Sprachorgan als Worte in die Aussenwelt geboren. Auf der Oberfläche dieses Meeres fahren sie nun wie Schiffe hin und her, zwischen Einzelmenschen, und Gruppen, Stämmen und Völkern.
Das Organ dieser Geburt, der Kehlkopf, wurde zum Mittelpunkt vieler Betrachtungen… Ein beweglich-morphologisches Verständnis dieser ”Blüte des Bewegungsorganismus” gewinnt man durch Metamorphosieren aus dem Kopf, dem Rumpf (ohne Kopf) und schliesslich dem Zusammenschauen beider Denkübungen.
Auch die Daten der neuesten Hirnanatomie wurden verwertet: Eine Zeichnung der motorischen Rindenfelder zeigte die Zuordnungen vom Fuss bis zum Kehlkopf in der einen Richtung, den Kopf selbst aber umgeklehrt, wie vom Kehlkopf gespiegelt!
Brocas Entdeckung des Sprachzentrums wurde eingehend behandelt.
Das Schwierigste ist, sich real vorzustellen, wie die unbewussten Kräfte von unten in den Kehlkopf heraufwirken. Der Anatom sieht ein allmähliches Kleiner- und Feinerwerden von grossen Skelettmuskeln, über die verwirrende Vielfalt der Halsmuskulatur, bis zur unvorstellbaren Präzision am Kehlkopf.
Wie so oft, half hier das Schicksal, indem es ein Urphänomen bescherte: Vor neun Jahren kamen zwei zur gleichen Stunde geborene Kinder zur Aufnahme, von denen eines taubstumm, das andere gelähmt war. An diesen Beiden ging Dr. König die Zusammenghörigkeit von Bewegung und Sprache erneut auf. -
Bewegungen kennen wir in drei Stufen: Bewegung der Gliedmassen, der Atmung, der Sprache. Wo äussere Bewegung zur Ruhe kommt, auch ausserhalb des Menschen, tritt der Ton auf. Indem von oben Bewusstsein gestaltend hineinströmt, entsteht Sprache. ”Licht von oben, Schwere von unten.” So ist sie ein Erbgebnis des ganzen Menschen, besonders seines Bewegungsorganismus.
Vom oberen Menschen ist der Sinnesprozess des Hörens besonders eng mit der Sprache verbunden. Man kann das in der Lemniskate darstellen: Eine obere Schleife des Hörens und eine untere der Bewegung begegnen sich im Kehlkopf als Schnittpunkt.
Hier sei erinnert an die Darstellungen Dr. Steiners über den Zusammenhang von Hören und Bewegung (siehe ”Meditativ erarbeitete Menschenkunde”, 3. Vortrag).
Jeder Teil kann Ausgang einer Störung sein. Die diagnostische Erkenntnis muss sehr auf das Individuelle jedes Einzelfalles achten.
Zuerst wurden Krankheiten des Bewegunsorganismus gezeigt. Von den vier Hauptgruppen der athetotischen, rigiden, schlaffen und spastischen Lähmung wurden je einige Kinder vorgestellt.
Wie verschieden waren die Sprechversuche! Entsprechend dieser verschieden entwickelten Kommunikation der ganze Bewusstseinszustand und das Innenleben dieser Kinder. Das Bild wurde ergänzt durch Hefte, Malereien und Handarbeiten.
Schliesslich charakterisierte Dr. König das Wesen dieser vier Gruppen als Verzerrung innerhalb der drei Stufen im Bewegungsorganismus. Das unbewusst fliessende Bewegungsspiel der Athetose z.B. rückt unserem Verständnis näher, wenn wir sie als in die Glieder gerutschte Atmung betrachten. So hatte man ein intimes Miterleben des Bewegungsgeschehens bei diesen markanten Störungen und sah greifbar das Ineinanderwirken der Gliedmassenaktivität bis in die Sprache.
Wendet man die gleiche Beobachtungsintensität lauschend in die innere Bewegung des einzelnen Lautes, so kann man Verwandtschaften zwischen beiden Gebieten vertehen lernen. Sie wurden von Dr. König in einer vielseitig verwendbaren Konsonantentabelle anschaulich gemacht.
Am dritten und vierten Tage folgte die Betrachtung der Hörgestörten.
Warum sprechen die Tauben nicht? Hier ist ein tieferes Eingehen auf die ganze Erlebnisart des Taubstummen notwendig. Wer Experimente an der lärmschluckenden Wand kennt, kann eine Ahnung von der lautlosen Isoliertheit dieser Menschen haben. Nimmt man weitere Beobachtungen hinzu: Ihre scheue Wildheit (wenige Ausnahmen sind die meist blonden Inaktiven), bis zum rastlosen Zerstörungstrieb, ihre Furcht, die harten Zeichnungen, so kann man zusammenfassen: Sie klammern sich ängstlich an dem Stummfilm des Sehraums fest. Dieser ist aber nicht so objektiv wie der Hörraum, nicht seelenwarm, bringt keine so intime Verbindung mit dem Nächsten.
Eine jahrelange eurhythmisch-musikalische Ûbungsbehandlung überwindet die Unzugänglichkeit und bringt schliesslich manche dieser Kinder zum Hören und Sprechen. Die intellektuelle Entwicklung ist aber oft weniger schnell. Z.B.:
Joseph kann zwar leiblich hören, aber sein Verständnis stösst immer wieder an Mauern, bei denen er dann – wie früher während der Taubheit – mit Wut reagiert.
Oder die kleine Mabel aus den Slums, die sogar deshalb lange fälschlich in einer Taubstummenanstalt gehalten wurde, weil ohne verständnisvolle Betreuung ihre Seele nicht hörte. Heute spricht sie zwar gut nach, aber sie leidet an ”akustischer Amnesie”, ihr Wortsinn ist taub.
Bei Knaben wurde diese Form noch nicht beobachtet. Dagegen leidet ein William an ”optischer Amnesie”, d.h. er verharrt in unzugänglicher Stummheit, weil er taub ist für alles, auch für Gesten, da er jeden Eindruck sofort ”wieder vergisst”.
Wenn Dr. König postulierte: Keine Lähmung ohne Sprachstörung, so schienen die nun folgenden Kinder (cerebell. Ataxie) dem zu widersprechen, denn sie plauderten recht munter und unbekümmert. Einer sang sogar etwas vor. Während sich unter den Sprachgehemmten der letzten Tage viele befanden, die durch gleichzeitige Bewegung die Sprache besser in Gang brachten, schien hier der untere Bewegungstrom ganz eingefroren und alles nur zum Mund herauszufliessen. ”Um den Bewegungsübungen zu entgehen, deckt er den Lehrer mit einem Plauderstrom zu”, heisst es von Barry. Eine genaue Analyse dieses Geplauders aber, die wie üblich erst am andern Tage angestellt wurde, wies den unterbrochenen Fluss der Sprachmelodie, gestörtes Gleichgewicht der Satzteile nach.
Den Abschluss bildeten solche Kinder, deren Sprachstörung aus anderen Bereichen stammt. Blinde, wie der augenlos geborene Timmy, haben eine hohe, gleichsam die Erde nicht erreichende Stimme, während die Bewegungen wie strichhaft von oben nach unten gehen, die Finger, als vorwiegende Sinneswerkzeuge zart bleiben.
Bei präpsychotischen Kindern, dem Thema des Vorjahres, ist weder die Bewegung, noch das Verhältnis Licht zu Schwere gestört, aber sie haben meist keine Beziehung zum Mitmenschen, sind wie seelisch-geistig abgeschnitten. Viele von ihnen können zwar sprechen, tun dies aber vielleicht nur, wenn sie allein sind: da für sie keine anderen Wesen existieren, können sie auch keine Wortschiffe zu ihnen senden.
Die kleine Fran galt als ”angeborener Schwachsinn”, ein Begriff, der von uns scharf abgelehnt werden muss; auch in diesem Fall entpuppte sich das Mädchen als durchaus bildungsfähig, sobald man es aus seiner vernachlässigten Seeleneinsamkeit herauspflegte.
Das tiefer Erleben der Teilnehmer kam ganz besonders am letzten Tage zum Vorschein. Einer nach dem anderen sprach aus übervollem Herzen und zeigte, was diese Zusammenkunft in ihm zum Klingen gebracht hatte.
Die vielfach geäusserten Dankesworte fasste Dr. König schliesslich in einem grossen Dank zusammen, den wir alle den kranken Kindern schulden, die durch ihr Schicksalsopfer uns so tiefen Einblick in das Wesen der Sprache ermöglichen.
DIE HAUT, DIE LEBENDIGE, DREIGLIEDRIGE HÜLLE DES MENSCHEN
Niederschrift eines Vortrages in Kassel, 13.11.1976
Die Haut ist das grösste Organ, das vordergründigste, das umfassendste; es ist verflochten mit vielen Teilen. Die Haut ist ein umgrenzendes, schützendes und andererseits ein nach aussen verbindendes Organ. Sie ist das Organ der Seele: Erblassen, Erröten, Kaltwerden, Gänsehaut zeigt sich in ihr. Die Haut ist ein Mondenorgan, ein sich ewig erneuerndes Organ - ”Abnutzungserscheinungen” kann es daher nicht geben, solange sie mit Leben erfüllt ist. Im Gegensatz dazu steht das Gehirn (Caturn), das sich nicht erneuert. Die Haut ist ein Organ der Atmung; der Mensch muss streben, wenn 1/3 seiner Hautoberfläche nicht erhalten ist (Verbrennung, Anstrich mit luftundurchlässiger Substanz – der bronzierte Held).
Wie überall im Menschen und im Weltgeschehen ist auch die Haut dreigegliedert in Stoffwechseltätigkeit, Kreislauf-Rhythmusgebiet und Nerven-Sinnesgebiet. Es sind drei Schichten: Epidermis, Lederhaut und Unterhautgewebe.
Die äusserste Schicht – Epidermis – hat kein Blut, sie ist besonders empfindlich und dünn. Wie die vielen anderen Teile des Menschen, die kein Blut enthalten, ist auch sie darauf angewiesen, dass die Früchte des Blutes an sie herangetragen werden. Der oberste Teil der Haut ist beständig am Sterben.
Dort wo Sterben ist, ist das Ich am intensivsten. Es herrscht starke Ich-Tätigkeit, Bewusstsein vor. Unmittelbar unter den abgestorbenen Zellen ist Leuchten, das durchscheint – ähnlich dem leuchtenden Herbstlaub. Die Pigmentbildung findet sich ebenfalls in der Epidermis in der Nähe der Keimschicht. Die Sonne scheint nur zum Teil in die Haut hinein. Das UV-Licht kommt nur bis zur Keimschicht. Durch die Ozonschicht wird die Erde vor zuviel UV-Licht geschützt. Ist aber zuwenig UV-Licht da, tritt beim Menschen in der Jugend Rachitis auf. Denn durch das UV-Licht wird der Mensch befähigt feste Knochen zu bilden. Die anderen Teile des Sonnenlichtes, insbesondere das Rotlicht – die Wärme – treten tiefer ein.
Der Mensch ist selbst Lichtwesen, er erzeugt Licht. An ihn herangetragenes Licht muss er wie alles, was an ihn herantritt, umwandeln, damit es ihm nicht schädlich wird. Der Mensch erzeugt Licht in der Gegend der Niere. Dieses Licht muss man sauber vom anderen Licht trennen. Ist zuwenig Innenlicht vorhanden, entstehen TB Bazillen, die am Licht sterben. Bei eigener Tätigkeit verträgt der Mensch vieles besser, z.B. das Sonnenbaden.
Die Lederhaut ist zäh und reissfest. Sie enthält Blut. Bei manchen Krankheiten ist es heilsam ein Zuviel an Blut nach aussen zu lenken, etwa durch Bäder (Kopfweh, Magenleiden). Aber auch von sich aus reagiert die Haut mit wechselnd intensiver Durchblutung, z.B. bei Kälte. Ca ein Drittel der Blutmenge kann der Mensch in seiner Haut unterbringen. Die Lederhaut ist zwischen 2 mm und 3 cm dick. In dieser Schicht liegen viele glatte Muskeln, die nicht durch den Menschen bewusst gesteuert werden können z. B. Gänsehaut. Das Inkarnat entsteht in der Lederhaut, wobei das Blut unterschiedlich stark durchschimmert.
Das Unterhautgewebe ist mehrere cm stark. Dazu gehören Blut, Fettgewebe, Drüsen, Muskelgewebe. Haare und Nägel haben dort ihre Wurzel, die Schweissdrüsen ihren Sitz.
Damit die blutführenden Schichten der Keimschicht das Blut recht nahe bringen können, bilden sich durchblutete Papillen, bei stärkeren Rauchern verkrampfen sich die Kapillargefässe. Im Unterhautgewebe sind die Verdauungskräfte stark (Stoffwechselgebiet). DDT lagert sich dort vielfach ab. Silbervergiftungen, Bleivergiftungen finden dort statt. Im Unterhautgewebe werden wichtige Substanzen gebildet, so das Vitamin D aus Cholesterin.
Epidermis – Tod/Leben – Nervensinnesgebiet
Lederhaut – Träumen – Kreislaufrhythmusgebiet
Unterhautgewebe – Schlafensteil - Stoffwechselgebiet
Gerade im letzten Teil gehen die entscheidenden Prozesse vor sich.
Die grösseren Zusammenhänge:
Der erste Formungsprozess beim Menschen ist die Einstülpung der Haut und damit eine Trennung von Aussenhaut und Innenhaut. Es bilden sich Ur-mund und Ur-after.
Die Innenhaut ist Schleimhaut. Im Mund ist sie der Aussenhaut noch sehr ähnlich. Erst dort, wo wir das Essen ”vergessen”, es unserer Willkür entzogen ist, ist Schleimhaut. Dort macht sich der Mensch das Einverleibte ganz zu eigen. Hier ist man ganz bei sich. Ûber die Speisen, ”Speisen aus aller Herren Länder”, hat die Innenhaut (Niere, Darm…) Kontakt mit der Aussenwelt. Man kann das Einverleibte aber nicht bei sich behalten, man entäussert sich seiner wieder, verbindet sich dadurch wiederum mit der Welt. Gerade über den Stoffwechselorganismus ist der Mensch mit der Welt verbunden. Im Gesicht spiegeln sich die Vorgänge der Verdauung, insbesondere auch die Durchblutung des Rückengewebes.
Die Lederhaut hat intensive Beziehung zum Herzen über das Blutsystem. Das Herz ist absoluter Innenraum. Diese Hürde zu überspringen ist absolut notwendig. Das Blut benötigt Luft. Die Lunge hat ihre Wurzeln in der Atmosphäre, so wie die Verdauungsorgane ihre Wurzeln im Acker haben. Die Luft ist für den Menschen wichtiger als Arm und Bein.
Die Oberhaut har intensive Verbindung zum Rückenmark, das sich an seinem vorderen Ende zum Gehirn entwickelt hat. Die Sinnesorgane entwickeln sich daraus: ein Aufeinanderzuwachsen von Teilen der Oberhaut und des Gehirns. Die Oberhaut hat enge Beziehung zum Bewusstsein. (An dieser Stelle zitiert Pressel den Spruch der Woche.)
Praktische Folgerungen:
Die Haut kann zu stark sein oder auch zu wenig abschliessen, undicht sein: Ekzeme, Allergien, Sonnenbrand. Wenn die Lymphe herausgedrückt wird, wenn die Aussenhaut undicht ist, muss die Innnhaut aktiviert werden durch ein Anregen der Darmtätigkeit, des Stoffwechsels (Abführen, Hungern). Ist die Haut zu dick, zu dicht, muss sie belebt werden. Für geistige Tätigkeit ist zuviel Waschen z. B. nicht gut. Trockenbürsten ist gut. Nicht immer vom Scheitel bis zur Sohle, sondern verteilt über eine Woche. Die Muskeln sind bei denen, deren Haut zu dicht ist, leicht vergiftet zur Wohlstandskrankheit ”Faulheit”. Kinder, Hunde haben einen natürlichen Bewegungsdrang. Also die Haut beleben, deren Prozesse beleben. Der Brennesselschmerz ist gegenüber rheumatischen Schmerzen geradezu eine Wohltat. Meerrettich gerieben und aufgelegt als Teelöffelportion im Taschentuch an der Schmerzstelle für kurze Zeit, danach während der Nacht unter dem Fuss. Hahnenfuss, Buschwindröschen, Seidelbast sind milde Hautaufschliessungsmittel. Im feuchten Tuch z. B. um den Arm bei Verletzungen der Hand fördern sie die Durchblutung und damit den Heilungsprozess. R. Steiner: Bringt das Ich an die Verletzung. Bei Fieber früh morgens nach dem Trockenreiben den Rücken feucht abklatschen. Bei inneren Krankheiten kann man durch heftiges Tun von aussen das Leiden umwandeln; die Haut übernimmt das Leiden, z. B. wenn man bei einer Depression Meerrettichkompressen auf den Rücken legt und alle fünf Minuten weiterrückt den ganzen Rücken hinunter. Im verodneten Fall gab es eine total offene Fläche, die Depression aber war weg.
Menschen- und hautfreundliche Stoffe/Bekleidung: Wolle nimmt alles Schlechte auf – das Schaf als Opfertier.
Jedes Wissen, das nicht zur Tat wird, wird Gift. Nur das, was der Mensch tut, wird ihm heilsam.
Nicht so sehr ein Ûberviel, ein Zuviel, als vielmehr die Bewegung, auch die Geistige, ist heilsam.
ZEITUNGSBERICHT aus 1955: Das Geisteswort der Mitte
Dr. Pressel – Stuttgart sprach vor den Hörern der Volkshochschule Urach
Den von der Uracher Volkshochschule auf Samstagabend im Bahnhotel angesetzten Vortrag über ”Das Geisteswort der Mitte zwischen Ost und West” übernahm wegen einer plötzlichen Erkrankung Dr. Hahns sein Kollege von der Freien Waldorfschule Stuttgart, Schularzt Dr. Pressel. Vor einem kleinen Kreis von VHS-Freunden umriss Dr. Pressel ”das Geisteswort der Mitte” als die im Jahre 1920 von Rudolf Steiner auf dem Wiener Kongress ausgesprochene Botschaft. So wie jeder Mensch an der Lösung und Gestaltung des Chaos von Problemen arbeiten kann und muss, trägt der Mensch der Mitte diesen Auftrag als die grösste Aufgabe in sich: den Ausgleich zwischen West und Ost herbeizuführen. Im Jahre 1945, in dem West und Ost über der Mitte zusammenschlugen und es somit keine Mitte mehr gab, habe bei der anfänglichen Verbrüderung der beiden gegensätzlichen Pole niemand daran gedacht, dass beide kurze Zeit später in bitterste Feindschaft geraten würden.
Seine Erlebnisse in russischer Kriegsgefangenschaft als Charakteristikum für den Osten überhaupt auswertend, sprach Dr. Pressel eingehend über das Lagerleben, bei dem sich in Zeiten härtester Entbehrung – im Jahre 1946 brach in Russland eine Hungersnot aus – eine Pflege des Menschlichen ergab, die ihn als anfänglich Kranken und dann als Arzt tiefe Rückschlüsse auf das menschliche Leben im allgemeinen ziehen liess, und zwar in dem Sinne, ”dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt”. Die Russen an sich – in seiner dreijährigen Gefangenschaft habe er überhaupt keinen Kommunisten getroffen – verdienten es, von den Deutschen ebenso geachtet und geschätzt zu werden, wie die Russen Deutschland hochachten: Die in Russland aufgespeicherten gewaltigen Willens- und Naturkräfte strebten eine Verbindung mit der Geistesklarheit der Mitte an.
Auch der Westen – um zum Gegenpol zu kommen – gäbe keine absolute Freiheit. Ihm fehle der seelische Reichtum, der Russland eigen ist. Die Schotten seien z.B. schon viel lockerer im Gemüt als die Deutschen, und selbst in London läge eine gewisse Heiterkeit über dem Alltag. Von kleinen Ausnahmen abgesehen sei der Westen überspitzt und kalt wie – um einen Vergleich mit dem menschlichen Organismus zu gebrauchen – der Kopf im Gegensatz zur Leber, die mit ihren 41 Grad den Osten darstelle; die ausgleichende Mitte (also wir) seien Herz und Lunge. Diese Dreigliederung des Menschen sei auf die gesamte Menschheit anzuwenden. Als Naturgegebenheit müsse auch das deutsche Volk den Ausgleich und damit die Harmonie durch die Beseitigung des Zündstoffes zwischen West und Ost anstreben.
Bei den anschliessend von den Zuhörern gestellten Fragen, das Thema und die Waldorfschule an sich betreffend, gab Dr. Pressel interessante Aufschlüsse, so auch in bezug auf seine Arbeit als Schularzt. So würden z.B. an bestimmetn Tagen (bei Erdbeben und Atomversuchen) die Kinder über allerlei Schmerzen klagen. - Die Anwesenden bedankten sich für den tiefschürfenden Vortrag mit herzlichem Applaus.
ZUM GEDENKEN AN DR MED SIMEON PRESSEL
Dr. Bruno Endlich
Verlieren kann der Mensch ja nur, was ihn vom Geiste trennt. Rudolf Steiner
Am 14. Oktober 1980 verstarb in Stuttgart der Arzt Dr. med. Simeon Johannes Pressel, nachdem er noch im Juni im Kreise seiner Patienten und Freunde innerlich bewegt den 75. Geburtstag begehen konnte.
Dr. Pressel hatte sich von Anfang an mit den Zielen des Arbeitskreises für Bekleidung ganz besonders verbundern gefühlt. Der Umgang mit den Elementen, insbesondere mit Wärme und Licht war ihm zur bewährten therapeutischen Praxis geworden. Dabei konnte er sich auf vielfältige Erfahrungen stützen, die u.a. er als Lagerarzt in der Kriegsgefangenschaft unter einfachsten Bedingungen gewonnen hatte. Die Wärme- und Lichtkraft der Sonne, wie sie sich einem Stein mitteilte, die wärmende wollene Decke – sie hatten sich bei vielen Patienten bewährt und ihnen Linderung ihrer Leiden gebracht. Das Wort des Paracelsus: ”Der höchste Grad der Arznei ist die Liebe” war für jeden Patienten spürbar, der dieser starke innere Kräfte verströmenden Arztpersönlichkeit je begegnet ist. Seine Hände waren begnadet und wirkten wärmespendend und heilend durch hilfreiche Massagen, auf die er sich meisterhaft verstand.
Auf der letzten grossen Bekleidungstagung in Pforzheim sprach Dr. Pressel im Zusammenhang mit den Hüllen des Menschen so bewegend auch von der Teilnahme der mit uns und unseren wichtigen Erdenaufgaben verbundenen Verstorbenen, dass schon da sein Vermächtnis spürbar wurde.
Wir fühlen uns durch sein Beispiel ermuntert, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen und die den Menschen umgebenden natürlichen Hüllen durchlässig zu erhalten für die kosmischen Einflüsse von Licht und Wärme.
Als wir auf dem Dornhaldenfriedhof von der sterblichen Hülle unseres lieben Freundes Abschied nahmen, entfalteten in Regen und Kälte widrige Naturgewalten ihr elementarisches Spiel. Doch die in engem Rund um das offene Grab sich zusammenschliessenden Menschen, die Kollegen, Patienten und Freunde von Simeon Pressel, liessen unmittelbar jene herzkräftige menschliche Hülle erlebbar werden, die uns allein eine Bemeisterung der Aufgaben der nächsten Zukunft aus der Herzenswärmekraft des Auferstandenen möglich macht.
Dankbar dürfen wir des Erdenwerkes des Verstorbenen gedenken und uns auch in Zukunft mit seinem an unseren Zielen teilnehmenden Wesen verbunden fühlen.