Andere Kollegen schenkten der Arbeit Dr. Pressels zu seinen Lebzeiten so gut wie keine Aufmerksamkeit. Eine wertvolle Ausnahme war die bayrische Ärztin Gretl Stritzel (1911 - 2003), die ernsthaftes Interesse zeigte und in den letzten Jahren seines Lebens einige Male im Jahr für eine Woche oder einige Tage in der Praxis mitarbeitete, auch, um seine Massage zu erlernen. Ihrer Anregung ist es zu verdanken, das etwa 1975 die Idee entstand, Massagekurse durchzuführen.
Dr. Pressel fand es einerseits schwierig, seine Patienten alleine zu lassen um einen Kurs zu halten, und wollte deshalb höchstens eine Woche dafür abzweigen. Andererseits wollte er gerne weitergeben, was er erarbeitet hatte. Für ihn bedeutete die Massage die Möglichkeit zu diagnostizieren, zu heilen, beziehungsweise vorzubeugen. Es war ihm ein Anliegen, all dies weiter zu geben, so wie es sich als wirksam erwiesen hat, auch wenn sonst keine oder nur wenige therapeutische Mittel zur Verfügung stehen.
Wenn man bedenkt, dass viele anthroposophische, homöopathische und andere Naturheilmittel als unwirksam abgestempelt werden, die Menschen gleichzeitig darunter leiden, dass allopathische Mittel durch ihre Nebenwirkungen belasten und/oder unverträglich werden, kommt dieser „einfachen“ Möglichkeit, Menschen zu behandeln, wieder neue Bedeutung zu. Dr. Pressel äußerte sich dazu folgendermaßen: „Es kann Situationen geben, in denen wir nichts als unsere Hände haben, und dann müssen genügend Menschen wissen, was sie damit tun können“. Vielleicht ist die Zukunft nicht ganz so fern, dass uns auch die pharmazeutische Behandlung nicht mehr weiterhelfen kann. Jedenfalls wurden etwa ab 1977 mehrere einwöchige Kurse und etliche Übwochenenden abgehalten. Dr. Pressel unterrichtete, Lies Pressel und Gretl Stritzel halfen mit. Teilnehmer waren teils professionelle Therapeuten, teils Heilpädagogen, teils Hausfrauen, die ihre Familien pflegen wollten. Die Teilnehmerzahl betrug sechs bis zwölf Personen, was bis heute beibehalten wird, da das Erlernen der wesentlichen, feinen Nuancen und Bewegungsabläufe eine sehr intime Betreuung erfordert und nicht in größeren Gruppen zu überschauen wäre. Diese Kurse fielen in Dr. Pressels letzte drei Lebensjahre und in das Endstadium seiner Krebserkrankung. Den letzten Kurs schloss er eine Woche vor seinem Tod ab.
Durch seine souveräne und selbstverständliche Anwesenheit und Konzentration auf das Hier und Jetzt kamen zu dieser Zeit bei niemandem Fragen auf darüber, wie die Massagekurse sich entwickeln sollten und welche Probleme nach seinem Tod zu erwarten seien. Sein Weggang 1980 rief daher große Ratlosigkeit hervor, da nichts vorbereitet oder besprochen worden war. Lies Pressel fragte ihn auf dem Sterbebett, ob er es befürworte, dass sie weitermassiere, was er mit ausdrücklichem Kopfnicken bejahte (sprechen konnte er nicht mehr).
Da sie auch bald von „seinen“ Patienten um Behandlung gebeten wurde, führte sie die gemeinsam begonnene Arbeit in Form einer kleinen privaten Massagepraxis fort. Hier erst merkte sie nach und nach, wie viel sie in all den Jahren von seinem Wissen und Können verinnerlicht hatte und nun eigenständig umsetzen konnte.
Gretl Stritzel führte schon seit vielen Jahren eine eigene Praxis, in der sie auch massierte. Nach Dr. Pressels Tod war es ihr ein großes Anliegen, die Massagekurse sofort weiterleben zu lassen. Dies war für Lies Pressel zunächst ein zu schneller Schritt. So kam es, dass Lies Pressel und Gretl Stritzel von nun an verschiedene Wege gingen und die Fortführung der Massage zwei Strömen folgte, die sich teilweise von einander entfernten und teilweise parallel neben einander liefen. Wie dies bei ähnlichen Verzweigungen und Gegensätzen üblich ist, steht die umgebende Außenwelt dem Phänomen etwas verwirrt und erstaunt gegenüber.