Nach der Rückkehr aus Weißrussland 1948 begann Dr. Pressels Arbeit als Schularzt an der Waldorfschule in Stuttgart (1950-1955). In dieser Phase entstand die „Wadenmassage“: Kinder und junge Menschen waren durch den Krieg traumatisiert und in ihrem Anschluss an die „Mutter Erde“ gestört, was sich durch verschiedene Symptome äußerte. Indem die Waden massiert wurden, konnten diese Menschen wieder „auf die Füße gestellt“ werden und ihr „Gespräch mit der Erde“ weiter gestalten. Bald entdeckte er, dass die Waden buchstäblich grundlegendes über den ganzen Menschen aussagten, was die Diagnostik am Rücken ergänzte.
Es ist davon auszugehen, dass ab diesem Zeitpunkt der Wechsel zwischen Bein- und Rückenmassage ein wesentliches Charakteristikum dieser Massage wurde. Dr. Pressel hielt sich grundsätzlich daran, einmal die Beine und einmal den Rücken zu behandeln, mit mindestens drei Nächten Pause zur Verarbeitung. (Sehr selten machte er eine Ausnahme: mit einem Rhythmus von 2:1 einige Male hintereinander, wenn der „untere“ oder „obere“ Mensch jeweils eine Betonung brauchten.)
Später in den Wochenkursen konnten keine dreitägigen Pausen zwischen zwei Behandlungen eingelegt werden, aber es wurde selbstverständlich zu erst an den Beinen geübt, am nächsten Tag am Rücken und so weiter.
Zu dieser Grundordnung, fundiert im anthroposophischen Menschenbild, gehört auch, dass bei dieser Form von Massage Bein- und Rückenbehandlung niemals kombiniert werden können, sondern eine unsichtbare Grenze in der Taille eingehalten wird (siehe oben).
Über den Sinn dieser Grundelemente (die Trennung des unteren vom oberen Menschen, der Wechsel zwischen Bein- und Rückenbehandlung, wobei immer mit den Beinen angefangen wird - im Sinne des Anschlusses an die Basis, die „Mutter Erde“), schreibt Lies Pressel ausführlicher in ihrem Aufsatz (siehe Literatur).
Was nicht für andere Formen von Massage mit anderer Griffqualität und anderen Zielen gilt, ist für die Massage Dr. Pressels grundlegend: Beinbehandlung und Rückenbehandlung wirken gegensätzlich zueinander und bilden erst im Wechsel einen heilsamen Pendelschlag. Außerdem vermittelt die Lemniskate (siehe Bild), dass, was oben links ist, unten rechts wieder erscheint, in verwandelter Form, und umgekehrt. Um dies wahrzunehmen, braucht der Therapeut ein sehr geübtes, sensibles Wahrnehmungsvermögen.
Es geht also nicht um eine Wellnessbehandlung, sondern nach dem Motto „less is more“, um eine gezielte Gestaltung des Körpers.
Hier wird ein wesentliches Grundelement dieser Massage deutlich: was am einen Ort getan wird, hat Auswirkungen an anderer Stelle. Gleichermaßen wird am einen Ort wahrgenommen, was an anderer Stelle seine Ursache hat. Ein verflochtenes Gewebe von Einflüssen und Zusammenhängen wird schrittweise entschlüsselt, wie eine Hieroglyphe, und kann sozusagen zu sprechen beginnen, dem Aufmerksamen seine Gesetzmäßigkeiten zeigen.